Bonn – Sie drücken das Gaspedal bis zum Anschlag durch, machen Straßen zu Rennstrecken und protzen mit aufheulenden Motoren: Raser, Drängler und Poser sorgen immer wieder für Ärger und bringen sich und andere Verkehrsteilnehmer in Gefahr.
«Sie haben die Illusion, die Situation zu beherrschen, und blenden die Risiken aus», sagt der Verkehrspsychologe Jürgen Brenner-Hartmann, Tagungspräsident des Gemeinsamen
Symposiums der Deutschen Gesellschaften für Verkehrspsychologie (DGVP) und Verkehrsmedizin (DGVM) in Bonn.
Bei der bis zum Samstag dauernden Veranstaltung geht es unter anderem um Risikoverhalten im Verkehr.
Besonders gefährlich wird es bei illegalen Rennen, bei denen sich junge Fahrer – oft mitten in der Stadt – ein Kräftemessen liefern. «Das Gaspedal dient ihnen als Ventil, um Druck abzulassen», sagt Alexander Schwarzer, stellvertretender Leiter des Einsatztrupps Verkehr/Rennen bei der Kölner Polizei. Dort kümmern sich seit 2015 speziell geschulte Ermittler um das Problem – als Folge mehrerer schwerer Raserunfälle. Seit ihrer Gründung hat die Gruppe wegen rund 300 Rennen in Köln ermittelt, allein in diesem Jahr waren es bereits mehr als 60.
Der typische Raser
Der «typische Raser» ist nach den Worten von Schwarzer zwischen 18 und 25 Jahre alt, männlich und hat oft einen Migrationshintergrund. Häufig wohne er noch bei seinen Eltern und habe nur ein geringes Einkommen. «Den fehlenden beruflichen Erfolg versucht er auszugleichen, indem er sich Anerkennung übers Auto holt.»
Die Wagen seien häufig technisch verändert, teilweise auch unerlaubt – etwa durch manipulierte Auspuffanlagen, Spurverbreiterungen oder nicht zugelassene Felgen. 2019 haben die Kölner Ermittler bei Kontrollen schon mehr als 200 Fahrzeuge stillgelegt, bei denen die Betriebserlaubnis wegen solcher Eingriffe erloschen war.
Dass sich Männer über ihre Autos definieren, sei schon immer so gewesen, meint Brenner-Hartmann, und erinnert an die klischeehaften Mantafahrer der 80 und 90er Jahre. «Durch ein tolles Auto fühlt man sich stark und besonders kompetent.» So sei das Verhalten der heutigen Poser, die mit dröhnendem Auspuff und hochmotorisierten Wagen imponieren wollen, das «Aufrüsten eines Alt-Phänomens».
Immer öfter Leihwagen
Immer häufiger würden die Autos extra dafür ausgeliehen, beobachtet Dieter Schäfer, Leiter der Verkehrspolizeidirektion Mannheim, die 2016 eine «Ermittlungsgruppe Poser» eingerichtet hat. Junge Männer erfüllten sich so für einen Tag ihren Traum vom teuren Mercedes-AMG, BMW oder Audi. «In Ballungsräumen schießen Verleihfirmen dieser «Sehnsuchtsautos» aus dem Boden», sagt Schäfer. Die Fahrer seien mit den mehrere hundert PS-starken Boliden dann häufig überfordert.
Vor dem Stuttgarter Landgericht läuft zurzeit ein Prozess um einen aufsehenerregenden Raserunfall mit zwei Toten: Ein 20-Jähriger soll mit einem gemieteten Sportwagen den Kleinwagen der beiden Opfer gerammt haben. Er ist wegen Mordes angeklagt.
Anfang März hatte der Bundesgerichtshof (BGH) erstmals ein Mordurteil gegen einen Raser bestätigt, der 2017 in Hamburg mit einem gestohlenen Taxi einen Menschen getötet hatte. Eine generelle Linie für eine Mordverurteilung in Raserfällen legten die Karlsruher Richter jedoch nicht fest: Maßgeblich seien jeweils die Umstände des Einzelfalls. Erst in der vergangenen Woche hat die Staatsanwaltschaft Kleve Anklage wegen Mordes gegen einen 21-Jährigen erhoben. Er soll bei einem illegalen Rennen im niederrheinischen Moers einen Unfall verursacht haben, bei dem eine unbeteiligte Frau ums Leben kam.
Autorennen gelten seit einer Gesetzesänderung 2017 nicht mehr als Ordnungswidrigkeit, sondern als Straftat. Die Verkehrsminister der Länder setzen sich zudem für eine Reform des Bußgeldkatalogs ein, um Raser, Drängler und Poser härter zu bestrafen.
Dennoch: Verkehrsrowdys werden auch in Zukunft ein Dauerproblem bleiben, meint TÜV-Süd-Verkehrspsychologe Brenner-Hartmann. «Man wird es nicht verhindern können, dass Menschen sich ausprobieren und Grenzen überschreiten.»
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(dpa)